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Eisenhüttenstadt und ein kleines bischen Bombenstimmung


Von Bombenstimmung an die Ostsee: Wie wir unser Wochenende retteten


Was für ein Morgen! Beim Frühstück las ich in der rbb App von einer Bombenentschärfung am Berliner Hauptbahnhof für den 20.04.2018. Ein mulmiges Gefühl machte sich breit: Würde unser geplanter Zug nach Hamburg fahren? Die Unsicherheit war groß, denn weder die Bahn noch die Behörden gaben konkrete Informationen.

​Um die Nerven zu beruhigen, fuhren wir spontan nach Eisenhüttenstadt. Bei einem gemütlichen Spaziergang durch die Stadt ließen wir die Sorgen hinter uns. Ein absolutes Highlight war das köstliche Bauernfrühstück in der Bäckerei Dreißig – eine wahre Wohltat.

​Doch die Überraschungen hörten nicht auf. Zurück in Berlin hing ein Zettel an unserer Haustür: Ab 09:00 Uhr sollten wir unser Haus wegen einer Evakuierung räumen. Das war der letzte Tropfen. Wir beschlossen, nicht in unruhiger Stimmung zu verharren, und trafen eine Blitzentscheidung: Wir fuhren sofort an die Ostsee.

​Glücklicherweise fanden wir noch zwei freie Zimmer in Eckernförde. Statt eines stressigen Tages in Berlin erwartete uns nun ein entspannter Kurzurlaub. Wir sicherten unsere Zugtickets, hatten noch ein nettes Gespräch mit einem Polizisten und freuten uns riesig auf drei Tage Erholung am Meer.


Eisenhüttenstadt: Die geplante Stadt der DDR-Geschichte


Eisenhüttenstadt ist eine Stadt, die aus einem historischen Entschluss entstand – der Entscheidung zum Aufbau des Sozialismus in der jungen DDR. Gegründet als "erste sozialistische Stadt auf deutschem Boden", ist ihr Name untrennbar mit der Nachkriegsgeschichte Deutschlands verbunden. Wer sich für Architektur der 1950er Jahre, die Geschichte der DDR oder die Planstädte des 20. Jahrhunderts interessiert, findet in Eisenhüttenstadt eine einzigartige Zeitkapsel.


Entstehung: Stalinstadt als Idealbild des Sozialismus


​Der Grundstein für die Stadt wurde am 18. August 1950 unter dem Namen "Stalinstadt" gelegt. Sie sollte nicht nur ein Wohnort für die Arbeiter des entstehenden Eisenhüttenkombinats Ost (EKO) werden, sondern auch ein architektonisches Vorzeigeprojekt. Im Gegensatz zu den zerstörten Städten des Zweiten Weltkriegs wurde Stalinstadt von Grund auf neu geplant. Die Architekten um Kurt W. Leucht orientierten sich an den sowjetischen Stalinalleen, interpretierten aber auch traditionelle deutsche Bauformen neu. Das Ergebnis war eine harmonische Stadtlandschaft mit breiten Alleen, großzügigen Plätzen und aufwendig gestalteten Wohnblöcken, die den damaligen Bewohnern einen hohen Wohnkomfort boten.


Von Stalinstadt zu Eisenhüttenstadt


Der Wandel der Namen

​Mit der Entstalinisierung in der DDR wurde auch der Name der Stadt 1961 geändert. Aus "Stalinstadt" wurde "Eisenhüttenstadt", ein Name, der bis heute die Funktion und den Zweck der Stadt klar benennt: Sie wurde für das Hüttenwerk gebaut. Dieses Eisenhüttenkombinat war das wirtschaftliche Herz der Stadt und der gesamte Lebensrhythmus war auf die Produktion und das Werk ausgerichtet. Von der Kinderkrippe über die Ausbildung bis zum Arbeitsplatz – die Stadt und das EKO waren untrennbar miteinander verbunden.


Nach der Wende: Der schwierige Weg in die Moderne


​Nach der Wiedervereinigung 1990 stand Eisenhüttenstadt vor enormen Herausforderungen. Das EKO wurde privatisiert und modernisiert, aber viele Arbeitsplätze gingen verloren. Die sozialistische Planstadt, die einst als Ideal galt, passte nicht mehr in die neue Zeit. Gleichzeitig erkannten Historiker und Stadtplaner den einzigartigen Wert des architektonischen Erbes. Die Stadt steht heute unter Denkmalschutz und gilt als eines der wichtigsten Zeugnisse des sozialistischen Städtebaus in Deutschland.


Eisenhüttenstadt heute: Ein Museum der Moderne


​Heute ist Eisenhüttenstadt eine lebendige Stadt, die ihre einzigartige Geschichte stolz präsentiert. Das Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR bietet tiefe Einblicke in das Leben der Menschen in der ehemaligen DDR, während Stadtführungen die Besonderheiten der Architektur und des Stadtgrundrisses erklären. Die Stadt ist ein einzigartiges Museum unter freiem Himmel, das die Visionen, Hoffnungen und Brüche einer vergangenen Epoche greifbar macht. Ein Besuch in Eisenhüttenstadt ist daher nicht nur eine Reise an einen besonderen Ort, sondern auch eine Reise in die jüngere deutsche Geschichte.